“Am Anfang war einer,
Dann waren zwei,
Und die zwei waren viele
Und die vielen wurden zum einen”
Tantra ist für mich eine Lebenseinstellung und ein Erfahrungs- und Forschungsweg, den ich seit mittlerweile fast zwanzig Jahren begehe. Im Kern geht es dabei darum, sich Fähigkeiten anzueignen, um dem Leben zu begegnen. Das tut man sowieso immer und jeden Tag – aber oft in einer Weise, die uns klein hält und begrenzt. Das Leben der meisten Menschen läuft wie ein Fluss in einem engen, geraden, kanalisierten Bett. Das gibt Sicherheit, und die ist ein Grundbedürfnis. Aber Lebendigkeit verläuft außerhalb dieser geregelten Bahnen. Das Leben kann mehr sein, als das, was es oft gerade ist. Es kann tiefer sein, weiter, wilder, lebendiger. Ein Gebirgsbach, ein Wasserfall, Stromschnellen.
Klingt abstrakt? Ist es auch. Versuchen wir es mit ein paar Beispielen: Partnerschaften neigen dazu, feste Rollen und Verhaltensmuster auszubilden. Schön, da weiß man was man hat. Es gibt aber auch die Möglichkeit, gemeinsam in Bewegung zu bleiben, sich immer wieder neu zu entdecken, andere Tänze miteinander auszuprobieren. Oder Sex: Ein geregelter Ablauf mit vorhersehbaren Elementen, klar abgestecktem Rahmen und verlässlichen Ergebnissen hat zweifelsohne etwas für sich. Aber vielleicht darf es auch mal was anderes sein? Echtes Neuland? Wild, aufregend, gefährlich? Oder sanft, fein, zart? Womöglich sogar dreckig? Oder immer wieder neu? Beispiel drei, Körperarbeit: Viele Emotionen trauen wir uns kaum wahrzunehmen, geschweige denn zuzulassen. Weil sie uns überfordern. Oder weil wir gelernt haben, „das gehört sich nicht“. Auch das führt uns in eine sichere, allerdings etwas dumpf-taube Lebensweise, aus der man mit Hilfe von Energie- und Körperarbeit aber auch mal ausbrechen darf: Wut zulassen. Traurigkeit spüren. Freude finden. Liebe wagen, mit vollem Risiko.
Das sind Beispiele aus verschiedenen Bereichen meiner Arbeit, an denen Du vielleicht eine Gemeinsamkeit erkennst. Und genau dass ist es, was ich damit meine, dem Leben zu begegnen, frei, ungezügelt und in all seinen Facetten. Der tantrische Weg ist dabei für mich aber mehr als nur das Erkennen und Infragestellen von oft unbewussten Glaubenssätzen, Bewertungen und Normen, die uns einengen. Er führt zu Verbindung mit Anderen, Mitfühlen, Liebe und einem veränderten Verständnis von mir und meinem Platz im Leben. Und alles das versuche ich zu teilen.